Beitragsseiten

 

 

 

 

 

Wie aus zwei Blackboxen eine wird

 

 

 

 

 

Nun springt also auch Apple auf den KI-Zug auf. Allein und alle KI selbst entwickelt? Nein, mit OpenAI als Partner, also etwa ChatGPT im Hintergrund. Auf dem iPhone, iPad oder dem Mac bieten traditionelle Apple-Anwendungen Funktionen der KI an.

Sogar eine applikationsübergreifende Assistentin soll es auf den Apple-Geräten geben. Die hausbackene Siri wird zur informationsherbeizaubernden Fee.

Apple bewegt sich damit innerhalb eines Tsunamis an Software-Anbietern, die ebenfalls Funktionen der generativen KI in ihre Programme einbauen.

 

Natürlich entwickelt keines dieser Unternehmen KI neu. Sie nutzen hierfür APIs. Ein Application Programming Interface, kurz API, ist eine Programmierschnittstelle, die es erlaubt, andere Programme an ein System anzubinden. Schnittstellen aller möglichen Funktionen oder Tiefe – in Form eines einfach anzuwendenden Quellcode bis hin zum Maschinencode auf der tiefsten Ebene – sind alte Hüte. Alt, aber gut und daher Hut ab. Vernetzungen werden vor allem durch sie realisiert.

 

Also werden Anweisungen, die im Prompt geschrieben oder neuerdings gesprochen werden, durch APIs in die jeweilige generative KI gefüttert. Antworten kommen zurück und werden im anfragenden System angezeigt. So weit, so einfach.

 

Große Sprachmodelle wie ChatGPT oder Gemini sind sehr gut im Analysieren und Strukturieren von Sprache. Ihr Output hat aber Wahrscheinlichkeitscharakter; von der Realität oder gar der Wahrheit kann der Output weit entfernt liegen. So kann derselbe Prompt später anderes hervorbringen. Allgemeine KIs sind daher ungeeignet, objektiv Gegebenes zu suchen oder Fakten nachprüfbar zu verknüpfen.

 

Ein Weg, den Output näher an die Wahrheit zu bringen, ist, die KI mit rein spezifischen Daten zu einem konkreten Thema zu füttern. Dazu wird der Pool der Daten, mit denen die KI trainiert wurde, geleert und mit konkreten Themendaten neu angefüllt. Man nennt dies Grounding. Ground Zero heißt in der Militärsprache der Erdboden nach einer explodierten Atombombe oder einer Rakete. Auch das ehemalige Fundament des World Trade Centers in New York wird so bezeichnet. Alles, was vorher dastand, ist verschwunden.

 

Will man etwa eine Themen-KI zum österreichischen Baurecht aufbauen, dann könnte man alle Gesetze, Verordnungen von Bund und Ländern, die Judikatur und alle relevanten Kommentare in den leeren Daten-Container der Themen-KI füttern und damit die KI trainieren. Die Antworten werden  deutlich besser und verwertbarer sein als Antworten einer allgemeinen KI. Um einen letzten Check wird man dennoch nicht herumkommen. Die autonome, nicht beherrschbare Eigenschaft einer KI wird auch hier zum Vorschein kommen.

 

Was hat sich bei einer Themen-KI im Vergleich zu einer allgemeinen KI geändert? Eine der beiden Blackboxen, die Trainingsdaten selbst, sind nun themenspezifisch und transparent. Eine Blackbox wurde zur Whitebox. Die zweite Blackbox, die heuristischen Algorithmen der KI-Prozesse bleiben nach wie vor im Dunkeln.

 

Die Phantasie reicht kaum aus, um sich alle nur möglichen Themen-KIs vorzustellen. So wird derzeit an Nutzer-Avataren gearbeitet1.

Und so wird’s gemacht: Der Nutzer füll einen Ground Zero mit Daten von sich selbst. Daten und Erzählungen von der Geburt, der erworbenen Bildung, den Erfahrungen durch Berufe, Partnerschaften.

Kurz, die Zickzacklinien des Lebensweges werden samt ausgewähltem Kontext eingebaut. Ebenso enthält dieser Avatar Fotos und Videos des Nutzers und seine Stimme. Auch Verwandte oder Freunde können diesen Trainingscontainer mit Daten über den Nutzer füllen. Und voilà, selbst die Urenkel sehen den Avatar und hören seine Geschichten.

Die Geschichten werden durch die KI häufig leicht verändert sein und vielleicht sich der Welt der zuhörenden Generation anpassen. Oder diese Avatar-KI wird im Museum des 21. Jahrhunderts zu bestaunen sein. So wie wir jetzt die ersten Fotografien aus dem frühen 19. Jahrhundert betrachten. 

 

Die Themen-KIs entsprechen abgeschotteten Mini-Universen. Wir werden in naher Zukunft mit einem Schaum unzähliger kleiner KI-Blasen konfrontiert werden. Nun denn, schöne neue Multiversumswelt!

 

 

18. Juni 2024

 

1 Sudholt, E. (05.06.2024). Frage: Hast du Angst vor dem Tod? Antwort: Mein Schöpfer hat darüber noch nichts mitgeteilt. Die Zeit Nr. 25/24. https://www.zeit.de/2024/25/kuenstliche-intelligenz-tod-michael-bommer-krankheit-leben.