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KI sortiert Große aus

 

 

 

 

 

 

 

Die Künstliche Intelligenz wird das Verhältnis zwischen Universitäten und Fachhochschulen verändern: Kurz- und mittelfristig werden die spezialisierte Institutionen gewinnen, also die Fachhochschulen und kleine regional- oder themenzentrierte Universitäten.

Diese Prognose ist gewagt, da die KI nach wie vor ein hohes Innovationspotenzial hat und niemand weiß, in welche Richtung dies gehen könnte und was das für die tertiäre Bildung bedeutet.

 

Die qualitative Sozialforschung verfügt über Ordnungswerkzeuge, die helfen, in unübersichtlichen Situationen und zeitlichen Abfolgen einen Überblick zu erhalten. Das Kodierparadigma von Strauss und Corbin1 ist eines dieser Werkzeuge.

Hierbei geht es um Ursachen, die ein Phänomen erzeugen. Das Phänomen unterliegt intervenierenden Bedingungen. Akteure wiederum entwickeln Strategien, um mit dem Phänomen umzugehen. Aus den Interaktionen entstehen Konsequenzen, siehe folgende Abbildung.

   

 

Je nach Definition existiert KI seit einem dreiviertel Jahrhundert. Eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erhielt sie erst im November 2022 durch die Einführung von ChatGPT3. Nehmen wir dieses Ereignis als (jüngste) Ursache gemäß dem Kodierparadigma. 

Der ab sofort einsetzende Wettbewerb zwischen verschiedenen AI-Modellen der großen US-Tech-Unternehmen Google, Meta, OpenAI, Microsoft, Amazon etc. entspricht den intervenierenden Bedingungen. Wobei Ursachen und intervenierende Bedingungen in den letzten zwei Jahren regelmäßig den Platz tauschten.  

 

Lassen Sie uns das Blickfeld enger fassen und den Bildungsbereich betrachten. Als Kontext wird die höhere Bildung aufgefasst. Strategien sind nun zielgerichtete Vorgehensweisen von Universitäten/Hochschulen, Fachhochschulen, Akademien etc.

 

Tatsächlich, jetzt im September 2024, ist in Tageszeitungen von neuen Masterlehrgängen zu lesen, welche Künstliche Intelligenz ins Zentrum ihres Curriculums rückten. 

Wer bietet diese an? Fachhochschulen und regionale Universitäten!

Fachhochschulen reagieren schnell auf den Konsens, dass der Umgang mit KI für die Wirtschaft entscheidend ist. Die ausbildungsorientierten Fachhochschulen mit ihrem direkten Draht zur jeweiligen Praxis werden aktiv. Das Gleiche gilt auch für regional verankerte kleinere Universitäten mit einem Bereichsfokus. Auch sie sind eng mit den lokalen Anforderungen und Bedürfnissen wettbewerbsintensiver Wirtschaftsbereiche verknüpft.

Sie bieten in Österreich insgesamt acht KI-Bachelor- oder Masterabschlüsse an2:

* FHs: je ein Studiengang an FH Campus Graz, FH Salzburg, FH OÖ und  IMC Krems.

* Regionale Unis: zwei Studiengänge an der Uni Klagenfurt, je einer in Linz und Salzburg.

 

Wo bleiben die Wiener Giganten: Universität Wien, TU, WU? Was ist deren Strategie – oder haben sie keine? Erstaunlich, denn das Universitätsgesetz 2002 hat die Entscheidungsstrukturen der Universitäten zentralisiert. Rektoren können seitdem weitgehend autonom agieren: Die für viele Jahre bestellten Rektoren können schalten und walten, wie es ihnen gefällt. Mitbestimmung des Mittelbaus oder der Studierendenvertretung ist Vergangenheit. 

Die Idee vom New Public Management und der damit verbundenen Machtfülle ist doch, dass die Universitätsspitze als Top-Management, ähnlich wie in der Privatwirtschaft, unabhängig agieren und rasch auf Veränderungen reagieren kann. Umso drängender die Frage: Warum setzen sich die großen österreichischen Universitäten nicht mit der Jahrhundertinnovation der KI auseinander? 

Konsequenz: Wer sich nicht am Spiel beteiligt, hat nicht einmal schlechte Karten, er hat in dieser Runde bereits verloren.

24. September 2024

 

1 Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (1990). Basics of qualitative research: grounded theory procedures and techniques

2 Studycheck (21.09.2024). Studium Künstliche Intelligenz. https://www.studycheck.de/studium/kuenstliche-intelligenz/seite-5?d=12