1.900 vor unserer Zeitrechnung beklagt ein Ägypter sein anstrengendes Leben, er ist des Lebens müde geworden. Im berühmten Papyrus Gespräch eines Lebensmüden mit Ba, seiner Seele beklagt er sein Leben2. Der Mann ist überzeugt, Ruhe von den alltäglichen Mühen in einem besseren Jenseits zu finden1:

 

 

Ein Ruhesitz ist das Jenseits,
wohin das Herz einen führt.

Ein Hafen ist der Westen
wenn die Schifffahrt schwierig ist.
[der Tod als Übergang zum Jenseits]

 

 

Doch seine Seele erhebt Einspruch. Sie wirft ihm vor, sein jetziges Dasein gering zu achten. Der Verfasser des Lebensmüden-Papyrus – ein früher Psychologe und nun in der literarischen Rolle als Seele – kennt seine Landsleute gut: Die Menschen wollen vom Tod nichts wissen.

Vielmehr erträumen sie sich den Tod als bloßen Übergang in eine illusionierte Welt. Seine Seele mahnt daher, das zukünftige Sterben und endgültige Abschiednehmen zu akzeptieren, auch wenn es schwer fällt:

 

 

Höre auf mich – 
sieh', das Hören 
[tut] den Menschen gut

 

 

Sie preist die Lebensfreude und das Sein im Jetzt. Der Mann solle doch mit dem Wehklagen aufhören und dem Leben folgen. Die Schlussfolgerung ist einfach: 

 

Folge dem frohen Tag,
vergiss die Sorge!

 

 

Reinhard Neumeier

 

1 Assmann J. (2005): Ägypten, Eine Sinngeschichte, München: Carl Hanser Verlag, S. 201

2 Hieroglyphenabbildung aus Erman A. (1896): Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele. Aus dem Papyrus 3024 der Königlichen Museen herausgegeben. Abh. II, S. 1-77. In: Abhandlungen der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1896 (Berlin: Verl. d. Königl. Akad. d. Wiss.)