„Herr, ich danke dir, dass du mich nicht als Frau geschaffen hast!“*)

 

Bravo, wenigstens ehrlich sind sie, die betenden Männer in den schwarzen und weißgoldenen Kleidern. Frauenkleidern. Dieses Gebet bringt die Machtverhältnisse der letzten zehntausend Jahre auf den Punkt: Frauen sind den Männern untergeordnet. Und MÜSSEN es nach den inständigen Bitten orthodoxer Juden und Christen bleiben. Sonst ist die Identität des Mannes weg.

Ungemach droht: Frauen leben heute so wie es gestern nur die Männern durften. Sie werden heute als Baby freudig begrüßt, lernen, studieren und werden Ärztinnen, Richter oder Minister. Die Karriere ist top und Geld strömt herbei.

 

Ein jahrzehntelanger Trend zeigt das Hochklettern der Frauen und das Abrutschen der Männer: Wurden Jungs früher automatisch als Prinzen geboren, gedacht als zukünftige Herren in der Gesellschaft zu regieren, so müssen sie jetzt kämpfen. Und verlieren oft. Die Realität sieht trist aus: Männer sind heute häufiger krank, trinken, rauchen, verursachen mehr Unfälle, werden häufiger spielsüchtig oder arbeitslos. Sie sind im Schnitt ungebildeter, ignorieren ihre Gefühle, kommen schlecht mit Konflikten zurecht und sind beratungsresistent.

 

Die moderne Welt liegt ihnen nicht. Hier zählen Offenheit und Kommunikation. Einfach basta zu rufen, war gestern. Das neue schwache Geschlecht sind Knaben, Jungs und Männer bis vielleicht 30 oder 35. Sie besuchen weniger häufig ein Gymnasium als Mädchen, haben schlechtere Noten und können mit 15 oft nicht sinnerfassend lesen. Dieser Trend ist längst in den Universitäten angekommen: Mehr Frauen als Männern gelingt der akademische Abschluss.

  

Mädchen vorm Buchladen in der Wiener Innenstadt

 

Ja, richtig, in den Vorständen und Aufsichtsräten von großen Unternehmen dominieren noch die Old Boys. In Branchen wie der Metallindustrie oder im Bausektor herrscht ein männlicher harter Ton. Ebenso dirigiert Testosteron Bereiche wie Politik und Medien. Dort wird um Quoten zugunsten der Frauen gerungen. Dieses Ringen aber will die Vergangenheit bekämpfen. Die Gegenwart sieht anders aus. Das gesellschaftliche Boot kentert gerade aus der Sicht  vieler Männer.

 

Oder doch nicht, es hat sich nur – zumindest in den westlich entwickelten Ländern - um seine Achse gedreht: Was eben noch oben war, findet sich unten wieder, und was bisher unten war, nun oben. 10.000 Jahre Maskulinismus, 10.000 Jahre männliche Herrschaft enden.

 

Der wird sich im 21. Jahrhundert behaupten und psychisch-seelisch gesund bleiben, der Zugang zu seinem Innenleben und seinen Gefühlen hat, wer sein Leben auf mehreren Säulen abstützen kann und sein soziales Netz pflegt. Der wird verlieren, wer hohe Ansprüche pflegt, ohne diszipliniert und strebsam zu sein. Ins Hintertreffen kommt jener, der viel verdienen will, ohne etwas dafür zu tun. Schlechte Karten hat langfristig jener, der Konflikte nur mit physischer oder psychischer Gewalt - getragen von Wut und Zorn - bewältigt.

 

Die geänderten Machtverhältnisse schlagen auf den Umgang mit dem anderen Geschlecht durch. Das Leben zwischen Männer und Frauen ist dynamisch geworden. Sex gleicht zunehmend jenem Geschehen, wie es vor der neolithischen Revolution abgelaufen ist. Frauen wählen Männer auf eine Art, wie es bisher nur Männern vorbehalten war.

Der One-Night-Stand ist für selbstsicher gewordenen Mädels genauso akzeptabel wie ihr Testen, ob ein Bursch zur längeren Partnerschaft taugt. Und dieses Auf-den-Zahn-Fühlen passiert schon mal zwei Jungs. Gleichzeitig. Das ewige Spiel zwischen den Geschlechtern geht mit neu gemischten Karten in eine weitere Runde.

Reinhard Neumeier, Mai 2014

  

*) Die männlichen Betenden berufen sich meist auf den Apostelbrief an die Epheser 5:24