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„Strom fließt“ oder „Kein Strom fließt“ - Bakterien und einzellige Lebewesen orientieren sich nach demselben Schema wie moderne Computer. Die unterste Arbeitsebene auch des modernsten Laptops oder Supercomputers besteht aus einer unaufhörlichen Folge von Ja oder Nein. Numerisch wird das als 1 oder 0 dargestellt, physikalisch eben als „Strom fließt“ oder „Kein Strom fließt“.
 

Dieses ja/nein-Verfahren war auch vor hunderten Jahrmillionen das wichtigste Verfahren für die Urbakterien und später die ersten Zellen, ihr Leben zu meistern:

  • Signalisierte die Umgebung „Essen“ dann schaltete das Mikrolebewesen auf „Beweg dich hin“,

  • „Kein Essen“ hieß entsprechend „Tu nichts“.

  • Das Signal „Achtung, Gefahr“ führte zu „Flieh“,

  • „Keine Gefahr“ bedeutet „Tu weiter wie bisher“.

 

Binärer Code heißt informationstechnisch diese Schwarz-weiß-Einteilung der Welt. Etwas ist nützlich oder nicht nützlich, etwas ist gefährlich oder nicht gefährlich. Die Konsequenz für das Bakterium: „Tu etwas“ oder „Tu nichts“, „Meide etwas“ oder „Mache weiter wie bisher“. Mit dieser simplen positiv-negativen Kategorisierung von Informationen bewältigten all die Viren, Bakterien und Zellen die wichtigsten Aufgaben des Lebens.

 

Und tun es nach wie vor. Nicht nur das, dieses einfache Schema erwies sich offensichtlich als so nützlich und effizient, dass es in den - Äonen später in der Evolution auftauchenden - Superorganismen von Billionen Zellen (Tieren oder uns Menschen) nach wie vor angewandt wird. Nur heißen sie jetzt Gefühle!

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Gefühl ist verkörperte Information. Sie teilen uns mit, ob etwas positiv ist oder nicht, ob wir etwas meiden sollten oder nicht. Und das machen sie unnachahmlich rasch und kaum entziehbar. Die – manchmal unzutreffenderweise so genannten - negativen Gefühle zeigen das am klarsten. Wut und Angst verengen den Blickwinkel auf die Welt: Körper und Geist werden auf die jeweilige kritische Situation konzentriert und alle Energie mobilisiert. Diese Gefühle konzentrieren sich mit aller Macht nur auf eine Lösung des unmittelbar bestehenden Problems. Eine konkrete Ja/Nein Antwort mit entsprechender Handlung folgt.

 

Womit aber auch verständlicher wird: Gefühle wie Wut, Zorn und Angst sind nicht immer negativ zu bewerten. Ganz im Gegenteil, sie retten oft das Leben. Sehen wir auf der Straße einen riesigen Lastwagen auf uns zurasen, werden wir instinktiv und voll - verstandesmäßig kaum realisierter - Angst blitzschnell auf die Seite springen. Natürlich ist klar: Befinden sich Menschen dauerhaft in einem Zustand von Angst, Ekel oder Wut, ohne dass die jeweilige Situation das erfordert, dann wird das ungünstig für das Leben dieser Personen und ihrer sozialen Umgebung sein.

 

Auf einer Straße über einen Salzsee im Süden Tunesiens; aus einem Fotoalbum mit allen Alterungsspuren des Papierfotos eingescannt

 

Kommen wir nun zu den sogenannten (hier meist zu Recht als solche bezeichneten) positiven Gefühle. Sie sind ebenfalls verkörperte Information. Zufriedenheit, Heiterkeit, Freude enthalten nach wie vor die digitale Grundbotschaft: „Bleib so - das ist gut für dich“. Die positiven Gefühle bewirken aber nicht eine Einengung, sondern eine Erweiterung der Denk- und Handlungsspielräume. Wir werden in diesen Zuständen entspannter, offener und freier. Logisch, die Situationen wirken ja günstig für uns. Wir wollen und müssen nicht kämpfen oder davonlaufen, wie bei den 'negativen' Gefühlen. Wir können und sollen hierbleiben, entspannen und zufrieden sein.

 

Kein Wunder, dass freudige Menschen der Welt zugewandt sind. Kein Wunder, dass sich gelassene, aber interessierte Personen neuen Themen zuwenden und aufblühen. Kein Wunder, dass zufriedene Menschen die Gegenwart mit allen Sinnen empfinden, dass sie achtsamer gegenüber sich und anderen sind. Auf diese Weise erweitern sie das Selbstbild und gehen mit Mitmenschen liebevoller um.

 

Fazit: Alle Gefühle verkörpern wertvolle Informationen. Gefühle sind in den Urteilen zu ihren (bisherigen) Erfahrungswelten rascher und zutreffender als kühle Vernunft es zustande bringt. Hören wir gerade in unserer überrationalisierten Welt öfter auf sie!

 

Reinhard Neumeier, Mai 2010