Hebst du den Kopf, riechst du Schweiß und siehst Haare auf der Brust. Männer bevölkern den Himmel – bärtig und kraftmeiernd. Das Blau über uns hängt voller Supermänner: ein mächtiger Odin und ein donnernder Thor über dem nordischen Europa, ein dunkler Kronos und ein Blitze schleudernder Jupiter über dem griechischen und römischen Mittelmeer.
Der moderne christliche Himmel macht auf zivilisiert: Gott Vater frisst nicht mehr den Sohn wie noch Kronos seine Kinder. Jedoch stört die ungeregelte Nachfolge. Vater und Sohn sehen sich jeder als Nummer eins.
Das läuft in Familienfirmen, in denen alternde Patriarchen nicht abtreten. Je nachdem, welcher Chef grad den Kopf hereinsteckt, handelt das übrige Management der Erzengel, Engel und Heiligen: Mal wird alttestamentarisch gestraft, mal süßlich dem Feind die glattrasierte Wange hingehalten.
Kein Wunder, dass der Kampf um Seelen mit dem Gegengott in der Unterwelt unentschieden bleibt; denn auch der hat viele fellbedeckte Mitarbeiter mit Hörnern und Schwänzen.
Wann immer Menschen in den letzten zehntausend Jahren zum Himmel blickten, meinten sie, testosterongesteuerte Gestalten zu sehen. Doch Himmel und Hölle spiegeln nur die menschliche Gesellschaft wider. Ins Groteske verzerrt zeigen sich Machtverhältnisse, wie sie das Leben auf der Erde im Moment kennzeichnen.
Was ist geschehen? Hatten doch für einige hunderttausend Jahren die Frauen mit List und Rundungen das männliche Geschlecht gut im Griff gehabt. Jetzt kommandieren Kerls, die Mädls schuften im Haus, verhüllen sich züchtig und trippeln hinter dem Gebieter. Angeleitet von Bibel, Thora, Koran und religiösen Überlieferungen behandelt das Recht die Frauen wie Menschen zweiter Klasse - wie Sachen oder Haustiere noch naher Vergangenheit . Wie Haustiere, das bringt uns auf eine Spur:
„Laut heult der Wolf
vor Gnipahellir;
es reißt die Fessel,
es hetzt der Wolf.“ *)
- Ein wütender Wolf läutet im Norden das Weltenende ein. Er schafft es, Odin zu töten, den gewaltigsten aller nordischen Götter. Das erstaunt, sind nicht unsere lieben Hunde dem Wolf eng verwandt? Wer hat dieses Raubtier, vor dem sich die Alten so fürchteten, zum Schoßhund gezähmt? Zarte Frauenhände?
- Wer hat aus dem wilden Auerochsen zahme Rinder geformt? Wer zwang vor Generationen Bullen mit bis zu 1,85 Meter Schulterhöhe als Ochsen hinter den Pflug? Zarte Frauenhände?
- Wer holzt die Wälder ab, reisst die harte Erde auf, um Wildgras und Feldfrüchte zu säen? Zarte Frauenhände?
- Wer bewacht die Felder, verteidigt die gelagerten Vorräte das ganze Jahr vor Feinden? Zarte Frauenhände?
Das Leben stand Kopf. Eine Revolution vor rund 10.000 Jahren hatte das Leben verändert, mehr als die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Männer, nicht Frauen, steuerten und lenkten. Nicht nur der rohen Kraft wegen, sondern auch aufgrund ihrer sozialen Fähigkeiten des Organisierens. Jahrmillionenlang hatten sie miteinander gejagt und gekämpft. Sie lernten, sich einzuordnen, wenn andere stärker oder klüger waren. Nun fiel es ihnen leicht, sich und andere in Großgruppen zu organisieren. Männer schufen Stämme und Königreiche, sperrten Frauen ins Haus und regierten mit eiserner Faust.
Die neolithische Revolution hatte das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern verändert. Adam lag oben, Eva unten. Nichts belegt dies deutlicher als das Ergebnis einer DNA-Studie**): im 21. Jahrhundert tragen 8% der männlichen asiatischen Bevölkerung die Gene von wenigen, aber eng miteinander verwandten Männern. Das heißt, jeder zweihunderste weltweit lebende Mann stammt von ihnen ab!
Wer in Asien des abgelaufenen Jahrtausends besaß solch ein kolossales Gewicht? Nur einer: Dschingis Kahn. Temüdschin, so sein mongolischer Name, war ein Schlächter, dennoch wird er verehrt. Er hat massenhaft seinen Konkurrenten die Köpfe abschlagen lassen. Nächtlich brachte man ihm junge Frauen in die Jurte.
Dschingis Kahn und seine Nachfolger eroberten nicht nur geographisch halb Eurasien, sondern auch biologisch. Sie streuten ihre Samen und vermehrten die Gene vielmillionenfach. Die erwähnten DNA-Analysen führen zeitlich und örtlich zu ihm - welch ein biologischer Triumph durch die Kraft männlicher Kultur und Organisation.
Temüdschin, seine Söhne, Enkel und Neffen waren die mit Abstand erfolgreichsten Macker, die je gelebt haben. Politgrößen wie Putin, Trump oder die superreichen Begründer von Microsoft, Apple, Google, Facebook hingegen – sie werden nicht in das menschliche Genom eingehen. Ihre winzigen mikroskopischen Bio-Spuren werden bald verweht sein.
Reinhard Neumeier, April 2014
(2019 etwas überarbeitet)
*) Edda, Die Weissagung der Seherin
**) Tatiana Zerjal und viele andere (2003): The Genetic Legacy of the Mongols, in: The American Journal of Human Genetics: 72(3):717-721