Der Himmel als Spiegel des Mannes

Hebst du den Kopf, riechst du Schweiß und siehst Haare auf der Brust. Männer bevölkern den Himmel – bärtig und kraftmeiernd. Das Blau über uns hängt voller Supermänner: ein mächtiger Odin und ein donnernder Thor über dem nordischen Europa, ein dunkler Kronos und ein Blitze schleudernder Jupiter über dem griechischen und römischen Mittelmeer.

Patriarchen über den Wolken und unten auf der Erde: die göttliche Krise der Erbfolge

Der moderne christliche Himmel macht auf zivilisiert: Gott Vater frisst nicht mehr den Sohn wie noch Kronos seine Kinder. Jedoch stört die ungeregelte Nachfolge. Vater und Sohn sehen sich jeder als Nummer eins.

Das läuft in Familienfirmen, in denen alternde Patriarchen nicht abtreten. Je nachdem, welcher Chef grad den Kopf hereinsteckt, handelt das übrige Management der Erzengel, Engel und Heiligen: Mal wird alttestamentarisch gestraft, mal süßlich dem Feind die glattrasierte Wange hingehalten.


Kein Wunder, dass der Kampf um Seelen mit dem Gegengott in der Unterwelt unentschieden bleibt; denn auch der hat viele fellbedeckte Mitarbeiter mit Hörnern und Schwänzen.


 

 

Votivkirche in Wien 2014: Morgensonne und Krähe

 

Der Kosmos als Karikatur der Gesellschaft

Wann immer Menschen in den letzten zehntausend Jahren zum Himmel blickten, meinten sie, testosterongesteuerte Gestalten zu sehen. Doch Himmel und Hölle spiegeln nur die menschliche Gesellschaft wider. Ins Groteske verzerrt zeigen sich Machtverhältnisse, wie sie das Leben auf der Erde im Moment kennzeichnen.


Was ist geschehen? Hatten doch für einige hunderttausend Jahren die Frauen mit List und Rundungen das männliche Geschlecht gut im Griff gehabt. Jetzt kommandieren Kerls, die Mädls schuften im Haus, verhüllen sich züchtig und trippeln hinter dem Gebieter. Angeleitet von Bibel, Thora, Koran und religiösen Überlieferungen behandelt das Recht die Frauen wie Menschen zweiter Klasse.


Frauen werden angesehen und behandelt wie Sachen oder Haustiere. Und dies noch in naher Vergangenheit bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Wie
Haustiere? Das bringt uns auf eine Spur: 

Laut heult der Wolf

vor Gnipahellir;

es reißt die Fessel,

es hetzt der Wolf.“ *)

 

 

Die Zähmung von Mitlebewesen – wessen Hände oder wessen Fähigkeiten der Einfühlung hat es vollbracht?

  1. Ein wütender Wolf läutet im Norden das Weltenende ein. Er schafft es, Odin zu töten, den gewaltigsten aller nordischen Götter. Das erstaunt, sind nicht unsere lieben Hunde dem Wolf eng verwandt? Wer hat dieses Raubtier, vor dem sich die Alten so fürchteten, zum Schoßhund gezähmt?
    Zarte Frauenhände oder klobige Männerpratzen?
    Einfühlsames Handeln und Züchten über viele Generationen oder brutaler Zugriff? Wir wissen es nicht.
  2. Wer hat aus dem wilden Auerochsen zahme Rinder geformt? Wer zwang vor Generationen Bullen mit bis zu 1,85 Meter Schulterhöhe als Ochsen hinter den Pflug?
    Frauen- oder Männerhände? Im Grunde wissen wir es nicht.
  3. Wer holzt die Wälder ab, reisst die harte Erde auf, um Wildgras und Feldfrüchte zu säen?
    Vermutlich Männerhände.
  4. Wer bewacht die Felder, verteidigt die gelagerten Vorräte das ganze Jahr vor Feinden?
    In den letzten Jahrtausenden überwiegend wohl Männerhände. Aber: Unzählbare Generationen lang jagen und sammeln beide Geschlechter. 
     

  

Das Umkippen der Welt ins Ungleichgewicht: Männer übernehmen mit harter Hand

Leben stand Kopf. Eine (nach letztem Wissensstand eher sanfte) Revolution vor rund zehn- bis zwöfstausend Jahren hatte das Leben verändert. Eine Veränderung der Welt wie wir sie in den letzten 250 Jahren etwa durch die die Industrialisierungerfahren haben. Männer, nicht Frauen, steueren und lenken.


Nicht nur der rohen Kraft wegen, sondern auch aufgrund ihrer sozialen Fähigkeiten des Organisierens. Jahrmillionenlang hatten sie miteinander gejagt und gekämpft. Sie lernten, sich einzuordnen, wenn andere stärker oder klüger waren. Nun fiel es ihnen leicht, sich und andere in Großgruppen zu organisieren. Vermutlich überwiegend Männer nun schufen Stämme und Königreiche, sperren Frauen ins Haus und regieren mit eiserner Faust.  Nach außen legitimiert und abgesichert durch Ideologien und Religionen aller Art.  

 

Die neolithische Veränderung hatte das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern verändert. Adam lag oben, Eva unten. Nichts belegt dies deutlicher als das Ergebnis einer DNA-Studie**): im 21. Jahrhundert tragen 8% (!) der männlichen asiatischen Bevölkerung die Gene von wenigen, aber eng miteinander verwandten Männern. Das heißt, jeder zweihunderste weltweit lebende Mann stammt von ihnen ab!

 

Dschingis Khan und seine direkten Nachkommen: Der Triumph der männlichen Kultur als tief eingeschriebenes Erbgut

Wer in Asien des abgelaufenen Jahrtausends besaß solch ein kolossales Gewicht? Nur einer: Dschingis Kahn. Temüdschin, so sein mongolischer Name, war ein Schlächter, dennoch wird er verehrt. Er hat massenhaft seinen Konkurrenten die Köpfe abschlagen lassen. Nicht nur nächtlich brachte man ihm junge Frauen in die Jurte.


Dschingis Kahn und seine Nachfolger eroberten nicht nur geographisch halb Eurasien, sondern auch biologisch. Sie streuten ihre Samen und vermehrten die Gene vielmillionenfach. Die erwähnten DNA-Analysen führen zeitlich und örtlich zu ihm - welch ein biologischer Triumph durch die Kraft männlicher Kultur und Organisation.


Temüdschin, seine Söhne, Enkel und Neffen waren die mit Abstand erfolgreichsten Macker, die je gelebt haben. Politgrößen wie Putin, Trump oder die superreichen Begründer von Microsoft, Apple, Google, Facebook, X hingegen – sie werden nicht in das menschliche Genom eingehen. Ihre winzigen mikroskopischen Bio-Spuren werden bald verweht sein.

 

Reinhard Neumeier, April 2014
(2019 und 2025 überarbeitet)

 
PS: Das Phänomen der US-amerikanischen evangelisch-republikanischen Tradwifes (Frau wird wieder ins Haus verwiesen) weist darauf hin, dass gesellschaftliche Entwicklungen Pendelbewegungen unterliegen.

 

 

*) Edda, Die Weissagung der Seherin

**) Tatiana Zerjal und viele andere (2003): The Genetic Legacy of the Mongols, in: The American Journal of Human Genetics: 72(3):717-721