Praktische Methoden
Praktische Methoden
IV: Wie sich wehren gegen Twitter, Facebook und Co.? "Quellen bewerten"
Bewerte zuerst die Quelle!
Beachte zuerst das Formale! Das ist die vielleicht wichtigste Lehre aus dem Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten. Für soziale Medien wie Twitter heißt das: Zeigt sich die postende Person oder bleibt sie anonym? Nennt sie ihren echten Namen? Gibt es ein Foto der Person, das - trotz aller Verbesserungen und Stilisierungen - einige spezifische Züge verrät? Steht die Person also zu dem, was sie postet?
Oder versteckt sie sich hinter einem Symbolfoto, hat sich gar vermummt abgebildet? Wobei eine Vermummung bereits wieder Ehrliches aufzeigt: Eben das Verstecken und Wegducken. Offenbar ahnt eine solche Person, dass sie sich abseits rationaler, emotionaler und sozial akzeptabler Argumente bewegt. Sie wird unsicher und schwach sein. Das ist wahrlich keine gute Basis, ihren Ausführungen zu folgen.
Als nächstes den Schreibstil kontrollieren!
Besteht der Post, auch wenn er kurz ist, aus ganzen Sätzen, inklusive des Zeitworts, des Tunworts oder Tatworts, wie es in der Grundschule richtigerweise genannt wird? Das ist jenes Wort, das die Beziehungen der Gegenstände (Hauptwörter) in der Geschichte/Argumentation beschreibt und ihre Veränderungen dokumentiert. Das Verb zeigt den Haupt-Strang des Posts, den Vorgang, auf und damit die wichtigste Richtung der Argumentation.
Ausgesprochen überzeugend wäre, wenn das Zeitwort im Konjunktiv stünde! Der Konjunktiv oder die Möglichkeitsform ist jene Errungenschaft der deutschen Sprache (und mancher anderer auch), die sie so geeignet als Wissenschaftssprache macht. Ein Konjunktiv verweist auf eine vorsichtige Position des Posters - es könnte unter Umständen auch das Gegenteil sein ...
Anders hingegegen ist zu verstehen, wenn der Poster/die Posterin den Imperativ, die Befehlsform, verwendet. Etwas MUSS oder SOLL so geschehen. Die enge Sichtweise und reduzierte Weltsicht samt Vorgaben, wie andere zu handeln haben, könnte klarer nicht zum Ausdruck kommen.
Reinhard Neumeier, März 2018
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V: Wie sich wehren gegen Twitter, Facebook und Co.? "Formales zuerst strukturiert analysieren"
Warnung vor Schreien und Brüllen!
Wörter, die in Großbuchstaben geschriegen werden, gelten innerhalb eines wissenschaftlichen Textes als Schreien. Fettgedruckte Wörter entsprechen einem Brüllen. Offensichtlich scheint der veröffentlichenden Person der Inhalt so wenig überzeugungswürdig zu sein, dass er schreien oder gar brüllen muss. Am Besten mit einem Rufzeichen am Ende! Bestes Beispiel die Tweets vom Trump. Eine Auswahl der letzten zwei Zeilen aus den eben vergangenen 24 Stunden (Stand Montag, 12.3.2018 8 Uhr):
Warnung vor zu vielen Eigenschaftswörtern oder Einsatz-Eigenschaftswörtern!
Now! Great! Fair! Eigenschaftswörter spiegeln häufig hochgepeitschte (= auch etwas im übertriebenen Stil geschrieben) Emotionen wider. Der Verstand muss (!) vor der Tür bleiben. Jedes freudige und nichthinterfragtes Eintauchen in fremden Emotionen schädigt die eigene Vernunft. Emotionen schlagen überfallsartig jede Vernunft - so ist ihr Charakter. Das machte evolutionär Sinn.
--> Die wichtigste Gesamtempfehlung bei der Prüfung des Formalen von Posts in sozialen Medien: einen Schritt zurückgehen und zwei bis drei Sekunden Skepsis walten lassen.
Der Lohn: Wieder vom Haken fremder Gefühlsstürme runter gekommen, wieder ein freier Mensch geworden zu sein.
Reinhard Neumeier, März 2018
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VII: Wie sich wehren gegen Twitter, Facebook und Co.? "Ein Qualitätsjournalist werden"
Die ANDERE Meinung - sie gibt es.
Und SIE ist eventuell zutreffender!
Wissenschaft heißt Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Auffassungen und Hintergrundannahmen (Theorien). Das ist wie in einer Arena: Ein Gladiator allein auf sandigem Boden ist fad, zwei hingegen bieten einen spannenden Kampf. Und - im Idealfall - gewinnt der Bessere. Also die bessere Theorie: Das Blut der falschen Auffassung fließt .
Den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu recherchieren heißt, mehrere Konzepte (mindestens zwei unterschiedliche) zu suchen, zu interpretieren und darzustellen. Mit nur einer Theorie hausieren zu gehen heißt, Gläubige zu suchen, unkritische Folger und Ja-Sager zu finden. Aber einen Kotau zu machen, sich in den Staub vor der Meinung eines anderen zu werfen - welcher Unabhängige und Aufrechte will sowas tun?
Kritische Wissenschaft lebt vom Widerstreit gegensätzlicher Auffassungen. Absurde Geschichten, die Religionen, Sekten, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker oder russische Internet-Trolle erzählen, stellen das Gegenteil von Wissenschaft dar.
Unkritisch dem Inhalt eines Tweets folgen oder weiterzuleiten ist emotional verständlich, wenn dieser Tweet exakt meine momentane Gemütslage 'erwischt'. Und jeder seine Meinung bestätigt haben will und jeder gerne Likes sammelt. Von echtem Wissenschaftsgeist zeigt das aber nicht.
Die Folgen können nach einigen Umwegen einen selber treffen. Wie in den Trump-USA gerade zu besichtigen. Die Steuergeschenke an die Superreichen, das Kaputtmachen der Krankenversicherung, etc. wird die meisten blinden Follower treffen, die ihm im Netz zugejubelt hatten.
Die neue Herausforderung: Ein Qualitäts-Journalist zu sein.
Eine nicht hinterfragtes Weiterleiten oder Liken zeigt auch nicht von gutem Journalismus. Das grundsätzliches Vorgehen ist im Qualitäts-Journalismus wie in der Wissenschaft gleich: Ein Überprüfen der Quellen, andere Meinungen einholen, etc. Die Anforderungen eines guten Umgangs mit sozialen Medien sind groß geworden: Noch vor wenigen Jahren hat es gereicht, eine (meist teure) Qualitäts-Zeitung oder -Zeitschrift zu kaufen.
Nun hatte man halbwegs eine Garantie, innerhalb dieser 'Plattform' seriös Recherchiertes und Geordnetes zu treffen: Nachrichten von Meinung getrennt, tiefer recherchierte Berichte, Werbung ist (so halbwegs wenigstens) als solche gekennzeichnet, etc. Und natürlich war zu beachten und zu bewerten, in welcher politischen Richtung das Blatt sah oder welche generellen gesellschaftlichen Richtung das Blatt favorisierte.
Auf einer Internet-Plattform eines sozialen Mediums jedoch kann jeder Post wahr oder falsch sein. Jeder Tweet ist im Grunde zu checken. Irgendwie anstrengend, oder? Über eine praktikable Strategie, sich am Info-, Meinungs- und Gefühlsstrom sozialer Medien zu beteiligen ohne als Schwemmholz steuerlos mitgerissen zu werden, siehe den nächsten Essay.
Reinhard Neumeier, März 2018
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VI: Wie sich wehren gegen Twitter, Facebook und Co.? "Schritt zurück"
Jetzt erst und Jetzt - nach Prüfung der Form - Inhalte genauer beachten!
Fake-News sind so aufgebaut, dass sie auf ein sofortiges und rasches Aufsteigen von Gefühlen zielen. Emotionen werden wie in einer Riesenwelle hochgepuscht: "Arg! Wahnsinn! Umwerfend!
Aber geahnt hab ich es eigentlich immer schon!" - psychologisch klug zugeschnittene Fake-News (ein viel zu schöner Begriff. Im Deutschen heißt das schlicht und einfach Lüge) reissen einen Emotionen aus dem Bauch. Die Leser sollen von den Inhalten gefühlsmäßig überwältigt werden, dass sie sofort etwas unternehmen.
Emotionen wie Empörung, Aggression und Zorn (natürlich in Form des heiligen "gerechten Zorns") schlagen um in Aggressionen. Was passiert weiter? Richtig, man leitet diese Lüge an seine Freunde und Bekannte weiter. Unkritisch. Und peitscht seine Freunde auch ins Falsche und vergrößert so die unsägliche Wirkung von erlogenen und erstunkenen Fake-News.
Wichtigste Psych-Hygiene: Der Schritt zurück!
Der Schritt aus dem Gefühlssturm heraus, der Schritt ans Ufer der Normalität zurück, das Wichtigste, was man für sich und seine Freunde in der realen und virtuellen Welt tun kann. VOR dem Klick auf den Weiterleiten-Button kurz nachdenken, auch wenn es schwerfällt - der Weiterleitens-Button ruft einem ja zu: "Bitte, klick mich an!"
Die Nachricht kann stimmen oder auch nicht. Dem Button widerstehen, drei Sekunden Atem holen und Raum für Skepsis gewinnen - die Wahrheit hat wiederum Chancen.
Sie können alles vergessen, was in den vorherigen Folgen dieser Essay-Reihe geschrieben stand - vom seriösen Formalen - aber tun Sie das Wichtigste: Einen Schritt zurück, Button ignorieren, durchatmen und durchdenken: Das kann stimmen oder auch nicht!
Reinhard Neumeier, März 2018
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VIII und Schluss: Wie sich wehren gegen Twitter, Facebook und Co.? "Jongliere Formales und Inhaltliches"
Resümee: Ping-pong spielen und genießen
Wie nun innerhalb von Sekunden im realen Internet-Leben mit Facebook und Co umgehen?
Ein Fazit und gleichzeitige Empfehlung:
1. Ja, interessant Erscheinendes lesen.
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2. Noch besser: Anlesen! --> die möglicherweise aufwirbelnde innere Emotion (vorerst) mäßigen.
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3. Spätestens gegen Ende des Textes mental einen Schritt zurücktreten und sich automatisch und immer zuraunen:
"Kann so stimmen, oder auch nicht"
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4. Das Formale prüfen: Wer postet das in welchem Zusammenhang? Was ist wohl seine oder ihre Absicht?
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5. Neu lesen, neu interpretieren auf Basis der zusätzlich, durch das Formale gewonnene Information
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6. Nun jonglieren:
Das Hin und Her zwischen Inhalt und Form ein oder zwei Mal durchspielen =
Neue Aspekte gewonnen und Übersicht erreicht =
Zeit gewonnen, um die eigene Emotion zu regulieren =
Zeit gewonnen, um den Post zu durchschauen.
Reinhard Neumeier, April 2018
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