Der Paukenschlag seines ersten Axioms "Die Welt ist alles, was der Fall ist" hallt bis heute in der irdischen Welt nach: rund 600.00 Treffer zeigt Google für diesen Satz in deutsch oder englisch an. Beachtlich für eine philosophische Aussage! Es folgt der nächste Satz: 

[Axiom]  1.1   Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.

 

Vorerst nicht von unten baut Wittgenstein die Welt auf, wie es seine mathematischen Lehrmeister mit ihren atomistischen Logiken vorführen. Anscheinend geht es ihm nicht um schnöde Dingen. Nein, Tatsachen nennt er. Ein zusammengesetztes Wort, schreiben wir es so: Tat-Sachen.

Viele Leser steigen spätestens hier aus und lesen quer, um weitere populäre Sätze von Wittgenstein zu finden. Um einen Hauch von Grusel und gefühlter Tiefe des Universums zu spüren. Leider wird selten weitergelesen, denn in den Folgesätzen wird es spannend, nun starten die Bocksprünge zurück. 

 [Axiom]  2    Was der Fall ist, ist die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.

 

Ich bin wieder naiv und schreibe Sach-Verhalte. Das impliziert: Sach-Verhalte = wie sich Sachen verhalten. Und richtig, W. setzt direkt als Erklärung mit Axiom 2.01 fort : Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen)Gegenstände wie Sachen und Dinge bilden für Wittgenstein die Substanz der Welt (Axiom 2.021). Und in weiteren Sub-Axiomen werden Form, Struktur und Ähnliches genannt.

Treten wir einen Schritt zurück. Was bietet der junge Wiener als Basis der Welt an: ein zusammengeschraubtes Universum, eine IKEA-Welt. Aus losen Einzelteilen wird ein Bücherregal oder ein Kratzbaum für die Katze aufgebaut. Einzelteile werden - nach mühsamer Suche laut karger Anweisung - miteinander verbunden. Zur Art dieser Verbindungen postuliert W. noch viele Axiome.

Das Ergebnis: Wittgenstein imaginiert eine materielle Welt, wie sich sowohl der einfache Bürger als auch jeder Physiker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beispielsweise Tische und Sessel vorstellten. 

 

 

Der Tractatus logico-philosophicus wurde 1931 als Forschungsdissertation, vergleichbar einem Dr. habil, durch die Universität Cambridge angenommen. Lieber Promovend Ludwig, du hast damals nicht den aktuellen Forschungsstand recherchiert, wie es für eine durchschnittliche Masterarbeit heutzutage ganz selbstverständlich ist:

Sie haben geschludert! Denn schon 1865, also zwei Generationen vor deiner Zeit, hatte sich das physikalische Weltbild aufgrund der Maxwellschen Gleichungen um etwas ganz und gar Nichtgegenständliches erweitert: um Felder.

Und ab da scheitert man mit IKEA.

 

Reinhard Neumeier, September 2018