Die ANDERE Meinung - sie gibt es.
Und SIE ist eventuell zutreffender!

Wissenschaft heißt Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Auffassungen und Hintergrundannahmen (Theorien). Das ist wie in einer Arena: Ein Gladiator allein auf sandigem Boden ist fad, zwei hingegen bieten einen spannenden Kampf. Und - im Idealfall - gewinnt der Bessere. Also die bessere Theorie: Das Blut der falschen Auffassung fließt .

Den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu recherchieren heißt, mehrere Konzepte (mindestens zwei unterschiedliche) zu suchen, zu interpretieren und darzustellen. Mit nur einer Theorie hausieren zu gehen heißt, Gläubige zu suchen, unkritische Folger und Ja-Sager zu finden. Aber einen Kotau zu machen, sich in den Staub vor der Meinung eines anderen zu werfen - welcher Unabhängige und Aufrechte will sowas tun? 

 

 

Kritische Wissenschaft lebt vom Widerstreit gegensätzlicher Auffassungen. Absurde Geschichten, die Religionen, Sekten, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker oder russische Internet-Trolle erzählen, stellen das Gegenteil von Wissenschaft dar.

Unkritisch dem Inhalt eines Tweets folgen oder weiterzuleiten ist emotional verständlich, wenn dieser Tweet exakt meine momentane Gemütslage 'erwischt'. Und jeder seine Meinung bestätigt haben will und jeder gerne Likes sammelt. Von echtem Wissenschaftsgeist zeigt das aber nicht.

Die Folgen können nach einigen Umwegen einen selber treffen. Wie in den Trump-USA gerade zu besichtigen. Die Steuergeschenke an die Superreichen, das Kaputtmachen der Krankenversicherung, etc. wird die meisten blinden Follower treffen, die ihm im Netz zugejubelt hatten.

 

Die neue Herausforderung: Ein Qualitäts-Journalist zu sein.

 

Eine nicht hinterfragtes Weiterleiten oder Liken zeigt auch nicht von gutem Journalismus. Das grundsätzliches Vorgehen ist im Qualitäts-Journalismus wie in der Wissenschaft gleich: Ein Überprüfen der Quellen, andere Meinungen einholen, etc. Die Anforderungen eines guten Umgangs mit sozialen Medien sind groß geworden: Noch vor wenigen Jahren hat es gereicht, eine (meist teure) Qualitäts-Zeitung oder -Zeitschrift zu kaufen.

Nun hatte man halbwegs eine Garantie, innerhalb dieser 'Plattform' seriös Recherchiertes und Geordnetes zu treffen: Nachrichten von Meinung getrennt, tiefer recherchierte Berichte, Werbung ist (so halbwegs wenigstens) als solche gekennzeichnet, etc. Und natürlich war zu beachten und zu bewerten, in welcher politischen Richtung das Blatt sah oder welche generellen gesellschaftlichen Richtung das Blatt favorisierte.

Auf einer Internet-Plattform eines sozialen Mediums jedoch kann jeder Post wahr oder falsch sein. Jeder Tweet ist im Grunde zu checken. Irgendwie anstrengend, oder? Über eine praktikable Strategie, sich am Info-, Meinungs- und Gefühlsstrom sozialer Medien zu beteiligen ohne als Schwemmholz steuerlos mitgerissen zu werden, siehe den nächsten Essay.

Reinhard Neumeier, März 2018