Zeitholographisch leben: Altertum und Moderne als gegenwärtige Realität
Wir leben jetzt in allen Zeitaltern gleichzeitig: im biblischen Altertum, im hexenverbrennenden Mittelalter und im 21. Jahrhundert. Während den westlichen Männern der Boden unter den Füßen wegbricht, bringen archaiisch denkende Männer ihre Frauen um:
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Witwen verhungern, weil sie von der eigenen Familie ausgestoßen wurden
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Weibliche Föten werden abgetrieben
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Junge Mädchen werden vergewaltigt und am Baum aufgehängt
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Ehefrauen werden mit Benzin übergossen und angezündet.
All das summiert sich auf mehr als zwei Millionen ermordete Frauen allein in Indien!*) Hier wütet der mörderische Homo barbaricus ohne Hemmungen. Aber auch in China und Afrika südlich der Sahara leben Frauen gefährlich. Selbst wenn sie das Glück hatten, nicht abgetrieben worden zu sein.
Die biblische Frau als Sache – unter Trump wieder angesagt
Das gleiche galt für die USA vor hundert Jahren: die Frau war des Mannes Untertan und starb früh. Kein Wunder, denn die christlich-jüdische Bibel verkündet: Die biblische Frau ist (kaum mehr als) eine Sache, wie die Feldhacke oder die Ziege im Stall. Tradwives (traditionelle Frau mit Kind im Haus am Herd – dem einkommenbringenden Manne untertan) sind spätestens seit 2025 wieder Vorbilder.
Bist du weiblich, bist du nichts wert. Deshalb vernachlässigt Indien seine Töchter. Mütter gehen mit der kranken Tochter nicht zum Arzt, geben dem wohlgenährten Sohn die doppelte Essensportion und schweigen beschämt, wenn der Schwiegersohn die eigene Tochter angezündet hatte, weil der Brautpreis nur teilweise bezahlt wurde.
Das Bild vom Menschen als tödliches Gift
Menschenbilder sind gefährlich, brandgefährlich im wahrsten Sinn des Wortes! Denn sie geben vor, wie Menschen andere sehen und behandeln sollen. Sie sagen, wann etwas moralisch geboten oder verboten ist. Menschenbilder sind Herzensangelegenheiten der Religionen. Und wie tödlich Religion und Ideologie wirken kann, zeigen die letzten zweitausend Jahre.
Die Frau am Podest oder im Bild verschwindend?
Menschenbilder sind auch Kernthemen der Philosophie. Doch was bewirken Gedanken von Philosophen oder einzelgängerischen Spinnern? Auch sie werden bisweilen tödlich. Philosophische Ideen setzen bisweilen hundert Jahre später Weltregionen in Brand. Auch wenn die Ideen häufig verändert und missbraucht wurden – Fichte, Marx und Engels sind Beispiele hierfür.
Immunität gegen zerstörerische Ideen? Wenn das nur so einfach wäre.
Lebenspraktisch taucht die Frage auf: Wie schützt man sich und andere vor so schrecklichen Menschenbildern? Oder medizinisch formuliert: Wie bleibt man immun? Und wenn Menschen schon damit infiziert sind, wie kann man das wieder loswerden, wie kann man Menschen heilen?
Dies ist eine riesige Aufgabe, weil jede Änderung des Bildes von sich und der Umwelt die eigene Identität angreift. Auch weil Menschenbilder emotional tief verwurzelt und daher durch der Vernunft allein nicht mehr zugänglich sind.
Reinhard Neumeier
Juni 2014, lektoriert September 2025
*) Siwan Anderson (Wirtschaftsprofessorin an der Universität von British Columbia), Debraj Ray (Entwicklungsökonom): Laut ihren Vergleichen der Bevölkerungszahlen von Frauen und Männern in den Industrie- und Entwicklungsländern fehlten in Indien 35 Millionen Frauen. Pro Jahr verschwinden mehr als 2 Millionen Frauen aus den Statistiken.