Brüllen, wiehern, trampeln, ausschlagen - austretendes Blut, versengte Haare, beißender Horngeruch 

 

Pferde, Stiere oder Ochsen werden vor tausend Jahren an drei, in die Erde eingerammten Pfosten festgebunden. Festgezurrt, damit sie sich nicht bewegen können - um sie mittels Brenneisen zu markieren oder zu kastrieren. Drei Pfähle schaffen das am besten, tripalium im Volkslateinischen (tri + palus).

Das ist die ursprüngliche Bedeutung des französischen Wortes → travail  für Arbeit. Es müssen wilde Szenen gewesen sein, kein Wunder, dass Tripalium bald eine Synonym für Folter und Qual wird....

Brennen in den Händen, Schweiß am Körper, Schmerzen im Rücken, verursacht von tagelanger Plackerei und nicht selten Peitsche Prügel - so sind häufig Tage eines Waisenkindes im Mittelalter. → orbho hieß das indoeuropäische Wort für jene Kinder ohne Eltern oder Verwandte, die für ihren Lebensunterhalt früh hart und körperlich arbeiten mussten.
 
Dieses Wort wurde im Slawischen zu →  robot, Knecht oder Sklave. Über das Slawische wanderte es wieder zurück in die deutschen Sprachen und wurde zur Arbeit. Auch der Roboter des 20. Jahrhunderts, der Maschinenmensch entstammt dieser Wurzel..
 
 
Eine Zivilisierung und Zähmung der Arbeit, ein humaneres Gestalten geschieht langsam über mehrere Jahrhunderte. Innerhalb der Handwerkszünfte darf ein Meister mit seinen Gesellen und Lehrlingen nicht mehr machen, was ihm beliebt. Religionsführer wie Luther erhöhen die Arbeit, in dem sie von (göttlicher) Berufung sprachen. 
 
Dadurch adelen sie das (bisweilen qualvolle) Tun und stärken das Erlernen, die persönliche Adaption an die Umstände und innere Motivation bei der Arbeit: Von oben, von höherer Instanz erfolgte die Berufung. Dieses so nun Gehobene und Geadelte wurde nach einiger Zeit zum Beruf. Englische Aufklärer wie John Lockes, Thomas Hobbes und Adam Ferguson formulieren Verbindungen zwischen Arbeit, Eigentum und einer Orientierung am Gemein-Wohl und Gemein-Sinn. Diese Zusammenhänge begründen Gesellschaften des 18., 19. und 20. Jahrhunderts. 
 
Einen kurzen Augenblick gezähmter Arbeit erleben wir Europäer in den 1950er bis Anfang der 1990er Jahren. In dieser Zeit gelingt es vielen, ihren Sinn des Lebens mittels nachvollziehbarer Tätigkeiten in gesellschaftsintegrierten Unternehmen zu verwirklichen. Man war stolz, höhere Ziele zu verwirklichen helfen.
 
 
Der einzelne Lebenssinn fiel oft mit dem - auch auf die anderen orientierten - Sinn der Betriebe zusammen. Ziel kapitalistischer Unternehmen ist wie eh und je, Gewinn zu machen. Weil es aber ein sozialistisch-kommunistisches Gegenmodell gibt, ist diese Bestrebung eingehegt. Die Unternehmen halten sich (meist) an Regeln und nationale Gesetze. Und Arbeiter und Angestellte vergönnen den Firmen den erzielten Gewinn nach dem Motto leben und leben lassen
 
Die Zähmung der Arbeit macht mal Fortschritte, mal Rückschritte. Mit der Industrialisierung werden Arbeiter wieder an das Tripalium stumpfer, eintöniger Tätigkeiten gebunden - Kinderarbeit und 12 bis 14 Stunden Maloche. 
 
Der Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts erobert eine sich globalisierende Welt. Im monetären Heuschreckenkapitalismus des 21. Jahrhunderts werden die ausgelagerten Arbeiter weltweit wieder körperlich ausgebeutet und die nun prekär Pseudo-Selbständigen seelisch ausgelaugt. 
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Steinmetz in Mynamar
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Die neue, noch stärkere Globalisierungswelle und der neuliberale Zeitgeist lassen die Arbeit in ungeschützten Bereichen wie der globalisierten Privatwirtschaft wieder zur Qual werden. Das verwandelt große Unternehmen von Sinn-Einheiten verschiedener gesellschaftlicher Nützlichkeiten zu Zweck-Einheiten des einen Zwecks von Gewinn für den Eigentümer/Aktionär. 
 
Einziger Zweck ist in der gegenwärtigen neoliberalen Hauptströmung, möglichst schnell maximalen Profit herauszuschlagen. Die alleinigen Nutznießer  sind Eigentümer und Top-Manager. Alle anderen - Mitarbeiter, Lieferanten und auch Kunden (!) werden wieder geschlagen oder gequält wie zu Zeiten des tripalium..
 
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Wen wundert es, dass wir Menschen darauf reagieren. Dass sich die Jungen - die Generation X, Y oder Z -  innerlich abkoppeln von diesem bösen Spiel. Dass sienach einem eigenen Sinn suchen, ein Dienst-Auto nicht angestrebt wird, eine ausgewogene Work-Life-Balance aber als wichtig empfunden wird. 
 
Arbeit hat viele Gesichter: Anstrengung und Qual, aber auch die Chance auf Reifung, auf Entwicklung der Persönlichkeit und das wohltuende Gefühl der Anerkennung durch seine gesamte soziale Umgebung. Arbeit ist eine Investition der produktivsten Zeit des Leben. Sie richtig einzusetzen, will wohl überlegt sein.
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Reinhard Neumeier, März 2010