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Covid-1, die Sackgasse der Multidisziplinarität 

 

Alternativ könnte der Titel dieses Beitrags sein: Viele Köche verderben den Brei

 

Enger und noch enger der Fokus, tiefer und tiefer der auszuhebende Schacht ... so lautet die gängige Maxime in den meisten Wissenschaftsdisziplinen. Und dabei wird übersehen, wie klein der blaue Himmel wird, wenn man zur Welt nach oben blickt.

Was kommt daher heraus, wenn sich spezialisierte Virologen, Immunologen, Fachmediziner, Soziologen, Psychologen, Ökologen oder Ökonomen an einen Tisch setzen, um Politikern in Notsituationen Empfehlungen zu geben? Widerstreitende Ansichten, Ärger, unsicher gewordene Politiker und BürgerInnen.

Die Idee, ExpertInnen ad hoc in eine Kommission zu setzen, funktioniert nicht! Kann nicht funktionieren, auch wenn sie öffentlichkeitswirksam Public Health-Kommission genannt wird.

Wer auch immer sich innerhalb solcher Kommissionen gegen (!) die anderen durchsetzt, die Empfehlungen werden logischerweise einseitig sein. Sie werden sich binnen weniger Tage ändern müssen Und das nicht nur, weil sich die Faktenlage geändert hat, sondern auch, weil sich dann eine anderere ExpertIn durchgesetzt hat.

Die Pandemie zeigt, dass in einem Raum versammelte Experten mit unterschiedlicher Spezialisierung einander nicht verstehen können. Sie werden differierende Empfehlungen abgeben, und bisweilen wird der eine oder die andere frustriert-trotzig unter lautem Mediengetöse davonlaufen.

Sie/er spricht dann ins Mikrofon eine 20-Sekunden-Zusammenfassung ihrer/seiner Sicht, die in dieser vereinfachten Form mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch ist.

Die gravierenden Folgen: Teile des aufmerksamen Publikums drehen den Wissenschaften den Rücken: „Die sagen mal so und mal so“. Und nicht wenige wenden sich Verschwörungstheorien zu wie Chem-Trails, QAnon, ... Das Mittelalter lässt grüßen. 

 

Bereits 1935 hatte ein Fleck, ein polnischer Arzt das Charakteristikum wissenschaftlicher Forschung durchschaut: Nach jahrzehntelanger Denk- und Methodenschulung als Student und Wissenschaftler denkst und handelst du eben wie die anderen deines Faches.

Ludwik Fleck sprach vom gleichförmigen Denk-Stil innerhalb eines gleichförmigen Denk-Kollektivs. 1962 nannte der Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn diese sozial vereinheitlichte Grundauffassung Paradigma und wurde damit, anders als Fleck, weltberühmt. Kuhn erwähnt Fleck nicht einmal. Ein eklatantes akademisches Foul!

Der Haken an diesen Paradigmen, den Wissenschaftler und wir Menschen schlucken und an dem wir dann hängen, ist erheblich: Die Einzel-Paradigmen jeder sukzessive zunehmend spezialisierten Einzeldisziplin führen oft nur scheinbar zu einer präziseren Auffassung ihres zu einer Briefmarke geschrumpften Themenfeldes.

Die lawinenartig anwachsenden Sammelbände, in denen mehrere Autoren zu einem Thema schreiben, sprechen buchstäblich Bände. Einzelautoren behandeln das Thema des Buchrückens isoliert und gehen nicht aufeinander ein, nur der gemeinsame Buchdeckel hält sie äußerlich zusammen.
Das ist Multi-Disziplinarität in einer reinen, abstoßenden Form.

Denn der mikroskopische Blick verwehrt die Sicht auf das Ganze. Die Idee, viele schmale Einzelsichten nebeneinander zu stellen, also multidisziplinär vorzugehen, um eine Gesamtsicht zu erhalten, funktioniert nicht.
In aller Regelmäßigkeit stehen die Annahmen eines Einzelparadigmas im Widerspruch zu den Annahmen eines anderen.

Womit wir wieder bei den streitenden und nichtfunktionieren Covid-19-Kommissionen aller Länder, die sowas eingerichtet haben, angelangt sind. Wir betrachten das Dead-End isolierter Wissenschaftswege in engen Einzelsichten.

20. September 2020