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Trump-Methode, Medienlogik und Interdisziplinarität

 

I don’t think science knows, actually“ So Trump auf die Frage nach der Ursache für die zahlreichen verheerenden Brände in Californien im Herbst 2020. Und setzt in Bezug auf den Klimawandel fort: „It will start getting cooler, just you watch“.

Wissenschaft ist Schwachsinn, so Trump - und spricht das alles ins Mikrofon, ein Gerät, das nur funktioniert, weil Wissenschaft die Grundlagen hierzu schon im 19. Jahrhundert erforscht und die Technik seither diese  konsequent umgesetzt hat. 
Das ist eine der Möglichkeiten, wie man als Zuhörer und Zuseher von Nachrichten über die Pandemie reagieren kann.

Ihr Wissenschaftler seid eigentlich eine Bande von Strohköpfen und habt keine Ahnung vom tatsächlichen Leben. MEINE Meinung zählt und sonst nichts. Dass wir Mini-Trumps uns als rationale Wesen aufgeben, ist evident.

Gründe für in den Medien aufploppende unterschiedliche Meinungen von ExpertInnen sind zahlreich. Hier seien dre (von vielen) genannt, wie es dazu kommen kann:

Die Medienlogik des Vereinfachens und Zuspitzens:  Wenn Christian Drosten als Virologe und Experte ein 45-Minuten-Interview gibt und hiervon zwei Minuten ausgestrahlt werden, so kann das richtig nicht mehr sein. Noch schlimmer, wenn der Leser eine hochdramatissche Überschrift in der Zeitung hierzu liest.

Ja, es ist klar, dass Berichterstattung über Wissenschaft die Komplexität reduzieren und vereinfachen muss. Es soll ja für Nichtspezialisten verständlich werden. Ungenauigkeiten entstehen zwangsläufig.

Das ist bis zu einem gewissen Punkt akzeptabel, irgendwann aber im Zuge des Übersimplifizierens kippt es und wird zu unheilbringendem Nonsense.

Die Medienlogik des aufgebauten Gegenspielers: Was wir Leser meist vergessen, die Medien selbst stehen in Wettbewerb untereinander. Allein schon aus dieser Situation heraus wird das eine oder andere Medium einen Gegenspieler zu einer herrschenden Fachmeinung aufbauen.
Die oft kleinen Unterschiede werden wie unter dem Vergrößerungsglas aufgebauscht und zugespitzt.

Nun wird das zuspitzende Medium vermehrt genutzt, und hurrah, Geld fließt (z.B. via erhöhte Werbeeinnahmen in der Folgezeit) an die Eigentümer.

Wir Leser fallen auf diese Masche rein und meinen: Die Expertinnen streiten ständig und sind untereinander uneins. Also hat das Expertentum irgendwas Faules an sich. Wie befriedigend ist doch da die Trump’sche Variante. Und wieder werden einige sie nutzen. Aufklärung ade!

Die Logik der Fachwissenschaft und die Mühsal interdisziplinärer Zusammenarbeit: ExpertInnen sind in der Regel Wissenschaftler, die Jahre und Jahrzehnte vom Stil ihres Spezialfachs und den Meinungen ihrer Kollegen sozialisiert (!) und geprägt (!) wurden. Das Zauberwort hier ist Paradigma, das Leitbeispiel.

Das ändert sich oft erst, wenn führende Vertreter von der Bühne abtreten.

 

Holt sich nun eine Regierung Rat von einem ExpertInnengremium, wird’s extrem schwierig, einen durchgehend einheitlichen Rat in dieser Gruppe unterschiedlich eingelernter Standpunkte, Sichtweisen und genutzter Methoden zu erreichen.

Im Grund geht dies auf rasche Weise nur, wenn diese ExpertInnen beispielsweise als Gruppe für mehrere Tage großen Gefahren ausgesetzt sind. Gefahren, die sie nur gemeinsam bestehen können.

 

Etwa eine mehrtägige Wanderung, die über Gletscher führt etc. Dann werden die Teilnehmer zu einer Ingroup und halten zusammen. Man fängt an, die Meinung der anderen zu schätzen. So besteht eine Chance, sich aus dem eigenen engstirnigen Fachdenken zu lösen.

Fruchtbares interdisziplinäres Denken, eine Fusion der Ansichten und Methoden führt anschließend meist zu einem  besseren Gesamtergebnis als es ein Experte in der Regel es je könnte.

28. November 2020

 

 

    Hauptplatz vom niederösterreichischen Tulln im Herbst